"Wie es wirklich war"


"Wie es wirklich war" - Exposé einer Gegengeschichte

Klicke-di-Klack, höre ich das Geräusch des Entsicherns und Durchladens der Maschinenpistole als ich in einem wohlbekannten NordNeuköllner Unterbezirk, in eingeweihten Kreisen auch als Kiez benannte Gegend, um die Strassenecke biege. Zwei bis unter die Käppikrampe milchbubihafte Muskelberge lehnen an einem zur Barrikade verbauten ausgebrannten Porsche-Cayenne und grinsen mich in freudiger Erwartung an.
"Na, wo haben wir denn den Passierschein, oder wenigstens `nen Hartz-4-Bescheid dabei", schallt es mir kackfrech entgegen.
"Ja wie jetzt", stammele ich wie vom Donner gerührt, "wo sind wir denn hier?", kann gar nicht glauben was das für eine Szenerie hier darstellt.
"Das ist der Killerschiez, hier sind wir die Miliz", rappen die Rotzbengel mich an. Und dann kommt wie bestellt auch schon der offensichtliche Chefkoch der Stadtteilbande angeschlendert.
"He-ho was geht, gibt`s Problem oder was?", ist er sehr bemüht irgendwie cool und lässig zu wirken.
"Tja also eigentlich wollte ich mir nur mal ein Bild von einer extrem gentrifizierungs-bedrohten Gegend machen. Ich schreibe da für so ein enorm hippes Stadtmagazin müssen Sie wissen.", rutscht es mir einen Tick zu unterwürfig heraus, in der Hoffnung vielleicht ein paar interne Einsichten gewinnen zu können.
"Na denne, lasssen wa` den Fatzke ma mitkommen", werden die beiden Jungschen zurück auf ihren Kommandoposten geschickt. "Ersma werde ich dir einen kurzen Einblick ins Heddkworta gewähren, das is des wo wir gerade die Komplettübernahme vom Gesamtkiez vorbereiten."
Also schlappe ich dem Kiezfürsten direkt auf den Hacken in die finsterste Spelunke hinterher die je ein Zivilgesellschaftler gesehen hat. Diese Räumlichkeit, unter dem Pseudonym "Stadtteilladen" firmierend, gleicht eher einem Anbetungstempel für die übelsten Menschheitsverbrecher der Weltgeschichte. Nicht nur das hier sämtlichen aktuellen Folterknechten wie Kim-Jong-Il, Mahmud Ahmadinedschad und Baschar el Assad gehuldigt wird, nein zu allem Überfluß wird mir auch noch voller Stolz der Hinterhof-Sweat-Shop präsentiert in dem illegal eingeschleuste Vietnamesinnen dazu genötigt werden die nächste Garnitur Milizuniformen im Akkord von Hand zu nähen.
"Auf wieviele Mitglieder können Sie denn zurückgreifen, mit Ihrem Stadtteilsturm?", frage ich ganz ungeniert.
"Nanana, kleine philosemitische Spitze was, bist wohl von der bahamitischen Internationalen gebrieft worden?", werde ich daraufhin ausgekontert.
"Nein nein, mich interessiert ja nur auf welchen Rückhalt im Kiez Ihr denn zählen könnt, ganz ehrlich." Wie gewohnt tut also meine jahrelang eingeübte Schleimschmiererei ihre Wirkung und der Kiez-Commandante findet sich bereit mir ein Video des letzten Guerilla-Hochamtes vorzuführen, bei welchem wie ich neidlos eingestehen muß tatsächlicherweise fast die gesamte Anwohnerschaft in trauter Gemeinseeligkeit auf offener Strasse rumfeiert. Ob dieser Zustimmung tatsächlich beeindruckt will ich nun doch noch eine offene Frage abklären und bitte darum mir doch noch die Haltung der örtlichen Gastronomen und Gewerbetreibenden anhören zu dürfen.
"Aber klar doch, gar kein Problem", lautet die Antwort, "lass uns doch gleich mal wieder auf die Strasse gehen."
Und kaum dass wir den Laden verlassen haben kommt uns auch schon der Bäckerei-Inhaber aufs servilste entgegen, schüttelt dem Commandante in demütigster Weise die Hand, um Ihm dabei unauffällig ein dickes Geldbündel in die Jacke zu schieben.
"Soviel dadazu", knufft er mich in Seite und schmunzelt.
Und als wäre es abgesprochen oder bestellt oder wie kommt just in diesem Moment auch noch der Getränkelieferant mit seinem Gehilfen um die Ecke. Beide schieben sie Sackkarren mit jeweils fünf vollen Getränkekästen direkt Richtung Ladentür.
"Ein kleines Dankeschön für den prächtigen Wochenendumsatz", bellt der eine der beiden Migrationshintergründler uns fröhlich zu.
Soviele diverse Eindrücke nun zu einer aalglatten Geschichte zusammenzukriegen das ist die wahre Kunst der Journalistik.